Rechtswahl nach iranischem Erbrecht

Ausgangslage:

Die Eheleute sind beide ausschließlich Staatsbürger des Irans. Sie haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt ausschließlich in Deutschland.

Im Zusammenhang mit einem Testament tauchen folgende Fragen auf.

  1. Die Eheleute haben in einem beurkundeten gemeinschaftlichen Testament eine Rechtswahl dahingehend getroffen, dass für die Verfügung von Todes wegen sowohl für die Frage der Wirksamkeit des Testamentes wie auch die Frage der Rechtsnachfolge von Todes wegen deutsches Recht Anwendung finden soll.
  2. Ist diese Rechtswahl formell gültig, sie muss wohl in einer letztwilligen Verfügung gemeinschaftlich getroffen werden, sodass dann die Frage auftaucht, ob das deutsche Recht Anwendung findet für die Frage der Form eines Testamentes.

Gemäß Art. 75 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 vom 4. Juli 2012 (nachfolgend: EuErbVO) in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17. Februar 1929 (nachfolgend: Niederlassungsabkommen) findet auf das Erbrecht der beteiligten Personen iranisches Recht Anwendung.

Gemäß Art. 969 Zivilgesetzbuch Irans (nachfolgend ZGB) ist ein Rechtsgeschäft formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird. Das Testament wurde in Deutschland errichtet und erfüllt die Formerfordernisse des deutschen Rechts. Insoweit ist das Testament formell gültig.

  1. Ist die Rechtswahl materiell wirksam? Kann also deutsches Recht von einem Ehepaar gewählt werden, das ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzt?

Gemäß Art. 6 ZGB sind in Bezug auf alle iranischen Staatsangehörigen die iranischen Gesetze betreffend Erbrecht anwendbar, selbst wenn sie im Ausland wohnhaft sind. Das iranische Erbrecht trifft keine Aussage über die Möglichkeit einer Rechtswahl. Es ist aber allgemein anerkannt, dass das materielle iranische Erbrecht zwingend ist und davon nicht abgewichen werden kann. Insoweit ist festzustellen, dass die getroffene Rechtswahl im errichteten Testament gegen das iranische Recht verstößt und aus diesem Grund materiell nicht wirksam ist.

Die getroffene Rechtswahl verstößt auch gegen das innerdeutsche Recht. Gem. Art. 22 EuErbVO kann eine Person für die Rechtsfolge von Todes wegen nur das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört. Mangels deutscher Staatsangehörigkeit können die Beteiligten für ihre Rechtsnachfolge von Todes wegen nicht das Recht Deutschlands wählen.

  1. Wenn beide Fragen mit Ja zu beantworten sind, gehe ich davon aus, dass dann für das in Deutschland belegene Vermögen das Testament materiell wirksam ist. Frage: Gilt dies auch für das im Iran belegene Vermögen?

Das errichtete Testament verstößt hinsichtlich der Rechtswahl und der Enterbung gegen das anwendbare iranische Recht und dürfte meines Erachtens diesbezüglich weder vom iranischen, noch vom deutschen Nachlassgericht anerkannt werden.

  1. Wenn das Testament unwirksam wäre, bedürfte es wohl nicht der Form eines Widerrufstestamentes, um sich aus der Bindungswirkung einseitig zu lösen.

Können die Eheleute dann ein neues Testament nach iranischem Recht errichten, das auch für die Vermögenswerte in Deutschland wirksam ist?

Wegen Rechtssicherheit empfehle ich das errichtete Testament zu widerrufen.

Ein nach iranischem Recht errichtetes Testament müsste aufgrund des anwendbaren Rechts auch vom deutschen Nachlassgericht anerkannt werden. Ich empfehle für das in Iran belegene Vermögen ein persischsprachiges und für das in Deutschland belegene Vermögen ein deutschsprachiges Testament zu verfassen.

  1. Über die formulierten Fragen hinaus haben wir die Frage, ob sich etwas an der Konstellation ändert, wenn der Testierende die deutsche Staatsbürgerschaft erwirbt? Würde in dem Fall das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen außer Kraft treten?

Bei einer Einbürgerung würde Ihr Vater seine iranische Staatsangehörigkeit gem. § 12 Abs. 1 Ziffer 2 StAG beibehalten. Bezüglich des in Iran belegenen Vermögens wird es daher bei obiger Ausführung bleiben.

Gem. Art. 5 Abs. 1 S. 3 EGBGB geht bei Mehrstaatlern die Rechtsstellung als Deutscher vor und das Niederlassungsabkommen würde dann in Ihrem Fall nicht mehr zur Anwendung kommen. Insoweit kommt es zu einer Nachlassspaltung und für das in Deutschland belegene Vermögen wäre deutsches Recht anwendbar.

  1. Im Übrigen möchte ich den Hinweis geben, dass nach iranischem Recht ein Erblasser vor seinem Ableben frei über sein Vermögen verfügen darf. Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch wie § 2325 BGB kennt das iranische Recht nicht. In der Praxis sind diesbezüglich Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt verbreitet. Es wird jedoch zum Teil als verwerflich angesehen, wenn ein Erblasser rechtsgrundlos hiervon Gebrauch macht, um den gesetzlichen Erben den Pflichtteilsanspruch zu entziehen.

In einem Testament nach iranischem Recht kann ein Erblasser grundsätzlich nur bis zu einem Drittel des Nachlasswertes von der gesetzlichen Erbfolge abweichen.