Unanwendbarkeit iranischen Sorgerechts wegen Verstoßes gegen den ordre public

Bundesgerichtshof

Urt. v. 14.10.1992, Az.: XII ZB 18/92

Ordre public; Verstoß; Ausländisches Recht; Scheidung; Sorgerecht

 

Amtlicher Leitsatz:

Zur Frage, wann ausländisches Recht, das die elterliche Sorge nach der Scheidung dem Vater beläßt, wegen Verstoßes gegen den ordre public (Art. 6 EGBGB) nicht anzuwenden ist.

Gründe

I. Der am 17. November 1980 geborene S., der am 21. August 1982 geborene A. und die am 20. August 1983 geborene M. entstammen der am 5. Dezember 1976 in Karadj/Iran geschlossenen Ehe der Beteiligten zu 1 und 2, die iranische Staatsangehörige schiitischen Glaubens sind. Auch die Kinder besitzen die iranische Staatsangehörigkeit. Alle Beteiligten wohnen seit Jahren in der Bundesrepublik Deutschland.

Auf den Scheidungsantrag der Mutter (Antragstellerin) hat das Amtsgericht – Familiengericht – durch Verbundurteil vom 13. April 1989 die Ehe der Beteiligten zu 1 und 2 vorab geschieden. Das Urteil ist rechtskräftig. Mit Beschluß vom 18. Juli 1991 hat das Familiengericht nach Einholung eines Rechtsgutachtens des Direktors des Instituts für Internationales Recht und Ausländisches Privatrecht der Universität K. zum iranischen Recht das Sorgerecht für S. und M. der Mutter, das für A. dem Vater (Antragsgegner) übertragen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Regelung der elterlichen Sorge richte sich hier nach iranischem Recht. Danach stehe kraft Gesetzes allein dem Vater die elterliche Sorge zu, da die Kinder die Altersgrenzen, innerhalb deren ein Recht der Mutter zur tatsächlichen Personensorge in Betracht komme, überschritten hätten. Die Anwendung dieser ausländischen Regelung verstoße hinsichtlich der Kinder S. und M. gegen den ordre public, da deren Wohl ein Verbleib bei der Mutter erfordere. Hiergegen hat der Vater Beschwerde eingelegt, mit der er die Übertragung des Sorgerechts auch für S. und M. begehrt hat. Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung des Familiengerichts geändert und festgestellt, daß das Sorgerecht für alle drei Kinder dem Vater zusteht (veröffentlicht in FamRZ 1992, 848). Mit der – zugelassenen – weiteren Beschwerde begehrt die Mutter die Wiederherstellung des Beschlusses des Familiengerichts. Der Vater verteidigt die angegriffene Entscheidung.

II. 1. Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts nur insoweit, als sie die elterliche Sorge des Vaters für die Kinder S. und M. feststellt.

2. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Sie ist auch in den Sachen, deren Verfahren sich nach den Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestimmt, in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (Keidel/Amelung, Freiwillige Gerichtsbarkeit 12. Aufl. Einl. 78 m.N.). Sie ergibt sich aus Art. 1 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (BGBl 1971 II 217 – Minderjährigenschutzabkommen, MSA), da die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Senatsbeschluß BGHZ 89, 325, 336). Allerdings besteht die internationale Zuständigkeit des Aufenthaltsstaates nach Art. 1 MSA nur vorbehaltlich (u.a.) Art. 3 MSA. Sie entfällt, wenn nach dem innerstaatlichen Recht des Staates, dem der Minderjährige angehört, ein Gewaltverhältnis kraft Gesetzes besteht (BGHZ 60, 68; Senatsbeschluß vom 11. April 1984 – IVb ZB 96/82 – FamRZ 1984, 686, 687). Auf diesen Vorbehalt kommt es hier jedoch nicht an. Denn das anzuwendende materielle Recht ist – wie unter 3. näher ausgeführt wird – nicht Art. 2 MSA, sondern dem Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17. Februar 1929 (RGBl 1930 II 1006 – deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen), dessen Weitergeltung mit Wirkung vom 4. November 1954 bestätigt worden ist (BGBl 1955 II 829), zu entnehmen. Damit ist das Heimatrecht der Kinder ohnehin für die gesamte Sorgerechtsbeziehung maßgebend, so daß Art. 3 MSA hier gegenstandslos ist (ebenso Coester IPrax 1991, 236).

3. Nach Art. 3 Abs. 2 EGBGB gehen völkerrechtliche Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Vorschriften des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch vor. Zwar ist auch das Minderjährigenschutzabkommen unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht, jedoch läßt es nach seinem Art. 18 Abs. 2 Bestimmungen anderer zwischenstaatlicher Übereinkünfte unberührt, die – wie das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen – im Zeitpunkt seines Inkrafttretens (17. September 1971 – Bekanntmachung vom 11. Oktober 1971, BGBl II 1150) zwischen den Vertragsstaaten gelten. Diese Bestimmung beschränkt sich dabei nicht auf Abkommen nur „mit den Vertragsstaaten“, sondern läßt auch Abkommen mit Drittstaaten unberührt (Kropholler, NJW 1972, 371; vgl. auch BGHZ 60, 68, 74; Senatsurteil vom 15. Januar 1986 – IVb ZR 75/84 – FamRZ 1986, 345, 346). Nach Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens in Verbindung mit der zum Geltungsbereich dieses Artikels abgegebenen Erklärung, die nach dem Schlußprotokoll (RGBl 1930 II 1012) „einen wesentlichen Teil des Abkommens selbst bildet“, bleiben die Staatsangehörigen der vertragschließenden Staaten u.a. in Angelegenheiten der Volljährigkeit und der Vormundschaft ihrem Heimatrecht unterworfen. Die Frage, welchem der iranischen Beteiligten zu 1 und 2 die elterliche Sorge für die Kinder S. und M. nach der Scheidung der Ehe zusteht oder zu übertragen ist, richtet sich deshalb nach iranischem Recht (vgl. auch Palandt/Heldrich, BGB 51. Aufl. Anhang zu EGBGB 24 Rdn. 53 m.N.).

4. Davon geht auch das Oberlandesgericht aus. Nach seinen Feststellungen sieht das iranische Familienrecht für die Angehörigen der verschiedenen anerkannten Religionsgemeinschaften unterschiedliche Regelungen vor (vgl. Art. 12, 13 der iranischen Verfassung vom 15. November 1979, abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht Iran S. 15). Welche dieser Regelungen vorliegend Anwendung findet, richtet sich nach iranischem Recht (Art. 4 Abs. 3 EGBGB). Nach diesem Recht kommen für die Beurteilung familienrechtlicher Beziehungen der islamischen Bevölkerung das Zivilgesetzbuch (Bergmann/Ferid aaO. Iran S. 6) sowie das Gesetz über den Schutz der Familie vom 12. Februar 1975 in Betracht, das ein gleichnamiges Gesetz aus dem Jahre 1967 ersetzt hat (Bergmann/Ferid aaO. Iran S. 7 und 35).

Zur Anwendung des materiellen iranischen Rechts führt das Oberlandesgericht im wesentlichen aus. Nach Art. 1180 iran. ZGB stehe das minderjährige Kind unter dem „walayat“ (der Gewalt) seines Vaters und dessen männlicher Vorfahren. Der Mutter komme nach Art. 1169 iran. ZGB das Recht der Sorge für die Person minderjähriger männlicher Kinder in den ersten zwei Jahren nach der Geburt, bei weiblichen Kindern bis zur Erreichung von sieben Jahren nach der Geburt zu, wobei es sich dabei nur um einen Teilausschnitt des Personensorgerechts handele, der nur die tatsächliche Sorge umfasse. Das Gesetz zum Schutz der Familie vom 12. Februar 1975, das die Möglichkeit eröffne, nach Scheidung der Ehe eine anderweitige Regelung zu treffen, sei im Iran nicht mehr in Kraft. Da alle Kinder über sieben Jahre alt seien und nach dem vom Familiengericht eingeholten Gutachten im Iran auch keine sonstige Regelung der elterlichen Sorge vorgesehen sei, soweit Art. 1181 ff iran. ZGB eingreifen, bleibe es auch nach der Scheidung der Parteien bei dem „walayat“ des Vaters. Es handele sich dabei um ein gesetzliches Gewaltverhältnis. Entgegen der Auffassung des Familiengerichts liege in der Aufrechterhaltung dieses gesetzlichen Gewaltverhältnisses des Vaters auch gegenüber den Kindern S. und M. keine Verletzung des deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB).

Allerdings lasse das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen die Prüfung des Art. 6 EGBGB zu. Die sich zunächst aufdrängende Verletzung des Grundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Art. 3 GG, die in der Bevorzugung des Mannes nach iranischem Recht zu erkennen sei, reiche für einen Verstoß gegen den ordre public nicht aus. Es müsse weiter geprüft werden, ob die Anwendung des ausländischen Rechts in bezug auf den konkreten Sachverhalt zu untragbaren Ergebnissen führe. Dabei sei zu beachten, daß das Elternrecht nicht ohne das gleichermaßen von der deutschen Verfassung (Art. 6 GG) geschützte Recht des Kindes beurteilt werden könne. Auch müsse berücksichtigt werden, daß beide Parteien iranische Staatsbürger und in iranischer Tradition aufgewachsen seien. Auch wenn sie schon lange Jahre in Deutschland lebten, seien sie über die Staatsangehörigkeit und ihr religiöses Bekenntnis, das das Fundament des iranischen Zivilrechts bilde, in iranischem Denken und heimatlicher Tradition verhaftet. Bei staatsvertraglich geregelter Anwendung ausländischen Rechts sei bei einer solchen Situation zurückhaltend zu beurteilen, ob die im ausländischen Recht fest verwurzelten Vorstellungen wegen des Gleichheitsgrundsatzes ignoriert werden dürften. Eine Nichtbeachtung könne abgesehen davon, daß die Praktikabilität und die Gegenseitigkeit der Staatsverträge gefährdet werde, dazu führen, daß dem einzelnen Ausländer eine fremde Rechtsordnung aufgedrängt werde.

Die Berücksichtigung des Kindeswohles führe nicht dazu, daß das Ergebnis als unerträglich empfunden werde. Das Wohl der Kinder S. und M. sei nicht gefährdet, wenn das Sorgerecht beim Vater verbleibe. Das Familiengericht habe auf den Willen der Kinder und den Grundsatz der Kontinuität abgestellt. Dabei handele es sich um ein allgemein anerkanntes und praktiziertes Prinzip für die Abwägung, bei welchem gleichwertigen Elternteil den Interessen eines gemeinschaftlichen Kindes eher gedient sei. Dieses Kriterium sei hier jedoch weniger geeignet. Um dem Vater das Sorgerecht zu entziehen, dem es nach seinem Heimatrecht zustehe, müßten viel eher die Voraussetzungen der §§ 1666 ff BGB erfüllt sein. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß S. und M. in ihrer Person oder ihrem Vermögen durch den Vater ernsthaft gefährdet würden. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu bedürfe es nach den Umständen nicht. Zur Frage, bei welchem Elternteil eine bessere Entwicklung der Kinder zu erwarten sei, komme kein Gutachten in Betracht, weil diese Frage nach dem Vorstehenden nicht entscheidend sei.

Diese Ausführungen tragen die Verneinung eines Verstoßes gegen den ordre public nicht.

a) Art. 6 S. 1 EGBGB untersagt die Anwendung einer Rechtsnorm eines anderen Staates, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Die Rechtsprechung hat schon Art. 30 EGBGB a.F., der in seinem sachlichen Gehalt Art. 6 EGBGB entsprach (BGHZ 104, 240, 243) [BGH 28.04.1988 – IX ZR 127/87] als die „Einbruchstelle“ der Grundrechte in das internationale Privatrecht verstanden (BVerfGE 31, 58, 72 ff, 86 [BVerfG 04.05.1971 – 1 BvR 636/68]; BGHZ 60, 68, 78). Diesen Gedanken hat der Gesetzgeber bei der Reform des deutschen internationalen Privatrechts durch die Aufnahme von S. 2 in Art. 6 EGBGB besonders hervorgehoben, der klarstellt, daß eine ausländische Rechtsnorm insbesondere nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Eine Grundrechtsverletzung im Einzelfall durch Anwendung einer Vorschrift fremden Rechts ist als unvereinbar mit dem deutschen ordre public stets von vornherein ausgeschlossen (vgl. Begründung des RegE des IPR-Neuregelungsgesetzes, BT-Drucks. 10/504 S. 44 sowie auch Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 10/5632 S. 40, wiedergegeben bei Pirrung, Internationales Privat- und Verfahrensrecht S. 125). Allerdings führt nicht jede Anwendung ausländischen Rechts, die bei einem Inlandsfall grundrechtswidrig wäre, bereits zur offensichtlichen Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts. Vielmehr bedarf es einer ausreichenden Inlandsbeziehung des Einzelfalls, um einen Verstoß gegen den ordre public anzunehmen (BVerfGE 31, 58, 77 [BVerfG 04.05.1971 – 1 BvR 636/68]; BGHZ 60, 68, 79; Palandt/Heldrich aaO. EGBGB 6 Rdn. 6; MünchKomm/Sonnenberger, BGB 2. Aufl. Art. 6 EGBGB Rdn. 40). Es kommt auch darauf an, ob und inwieweit das Grundrecht in bezug auf den konkreten Sachverhalt Geltung beansprucht, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Gleichstellung anderer Staaten und der Eigenständigkeit ihrer Rechtsordnungen. Es kann auch eine den Besonderheiten des Falles, insbesondere dem Grad der Inlandsbeziehungen angepaßte Auslegung der Grundrechte angezeigt sein (BGHZ 63, 219, 226).

b) Hiernach kommt ein Verstoß gegen den ordre public, dessen Beachtung das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen nicht entgegensteht (Art. 8 Abs. 3 S. 2 des Abkommens), in Betracht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht ist das Kind Grundrechtsträger. Es hat ein eigenes Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfGE 24, 119, 144). Die Elternverantwortung ist auf das Wohl des Kindes ausgerichtet und muß das Kind in seiner Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen. Bei einem etwaigen Interessenkonflikt zwischen Elternverantwortung und Kind kommt dem Kind der Vorrang zu (BVerfGE 37, 217, 252). Ausschlaggebend ist deshalb auch bei der Entscheidung über die elterliche Sorge nach Scheidung der Ehe das Wohl des Kindes. Diesem Wohl entspricht es, daß nach dem Förderungsprinzip derjenige Elternteil die elterliche Sorge erhalten soll, bei dem das Kind vermutlich die meiste Unterstützung für den Aufbau seiner Persönlichkeit erwarten kann (BVerfGE 55, 171, 181). Ferner ist es von Verfassungs wegen geboten, den Willen des Kindes zu berücksichtigen, soweit dies mit seinem Wohl vereinbar ist (BVerfGE 55, 171, 182). Auf eine ausländische Staatsangehörigkeit des Kindes kommt es nicht an, da das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG auch ausländischen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik zusteht (BVerfGE 35, 382, 399). Diesen Grundsätzen wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht gerecht.

Das Oberlandesgericht prüft nicht, bei welchem Elternteil die Kinder S. und M. die meiste Unterstützung für den Aufbau ihrer Persönlichkeit erwarten können, sondern stellt darauf ab, ob ein Verbleib der elterlichen Sorge beim Vater die Kinder in ihrer Person oder ihrem Vermögen gefährdet. Damit hat es den von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden Gedanken der Förderung der Entwicklung der Kinder nicht ausreichend beachtet. Ferner hat es nicht genügend in seine Überlegungen einbezogen, daß sich beide Kinder – ebenso das Jugendamt – für einen Verbleib bei ihrer Mutter ausgesprochen haben. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts kann deshalb sowohl Grundrechte der Kinder (Art. 2 Abs. 1 GG) als auch die durch Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG auf die staatliche Gemeinschaft übertragene, ebenfalls auf das Wohl der Kinder ausgerichtete Verpflichtung (BVerfGE 24, 119, 144), die Pflege und Erziehung des Kindes zu überwachen, verletzen, wenn das Wohl der Kinder eine andere Regelung der Personensorge verlangt (vgl. auch Palandt/Heldrich aaO. EGBGB 6 Rdn. 25; Coester IPrax 1991, 236).

Die mögliche Verletzung verfassungsrechtlich geschützter Positionen der Kinder verlangt auch gegenüber der iranischen Rechtsordnung Beachtung. Die Mutter lebt seit Jahren, der Vater schon seit Jahrzehnten, in der Bundesrepublik Deutschland. Die nach dem Bericht des Jugendamts Neunkirchen vom 29. November 1990 in Deutschland geborenen Kinder wachsen hier auf und gehen hier zur Schule. Von einer Absicht der Beteiligten zur Rückkehr in den Iran ist nicht die Rede. Bei einer derartigen Inlandsbeziehung ist es mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar, wenn ein deutsches Gericht, das auch bei der Anwendung einer ausländischen Rechtsnorm deutsche Staatsgewalt ausübt, die unter den Geboten des Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG steht, eine Entscheidung zur elterlichen Sorge trifft, die das Kindeswohl nicht berücksichtigt. Dies muß von den Beteiligten – die Mutter beruft sich ohnehin auf die Wertvorstellungen des deutschen Rechts – wegen der starken Inlandsbeziehung des Falles hingenommen werden.

In der Verweigerung der Anwendung des Heimatrechts der Beteiligten liegt keine Diskriminierung des iranischen Rechts, das im eigenen Bereich sinnvoll oder vertretbar sein mag, sondern nur die Feststellung, daß die konkrete uneingeschränkte Anwendung des Art. 1180 iran. ZGB durch ein deutsches Gericht unserer Verfassungsordnung widerspricht, wenn ihr das Kindeswohl entgegensteht (vgl. BVerfGE 31, 58, 75) [BVerfG 04.05.1971 – 1 BvR 636/68]. Den ausländischen Beteiligten wird damit auch keine ihnen fremde Rechtsordnung aufgezwungen, vielmehr wird ihnen lediglich die Anwendung ihres Heimatrechts durch die deutschen Gerichte versagt, falls sie zu einem mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbaren Ergebnis führen würde.

5. Hiernach kann die angefochtene Entscheidung nicht bestehen bleiben, ohne daß es noch darauf ankommt, ob die bisherige Anwendung des iranischen Rechts durch das Oberlandesgericht zugleich gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 GG) verstößt, wie die weitere Beschwerde meint.

Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung verwehrt, da weitere Feststellungen dazu erforderlich sind, welche Regelung der elterlichen Sorge dem Wohl der Kinder S. und M. am besten entspricht. Solche Feststellungen zu treffen, hat das Oberlandesgericht bisher – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – unterlassen. Die Sache ist deshalb an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

6. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf folgendes hin:

Sollten die weiteren Feststellungen ergeben, daß das Wohl der Kinder ihren Verbleib bei der Mutter erfordert, führt die Anwendung des iranischen Rechts dann nicht zu einem Verstoß gegen den ordre public, wenn das iranische Recht die Möglichkeit vorsieht, die tatsächliche Personensorge mit dem Recht der Aufenthaltsbestimmung der Mutter zu übertragen (BGHZ 60, 68, 81 f; Staudinger/Henrich, BGB 12. Aufl. Art. 19 Rdn. 45). Auch wenn Art. 12 des iranischen Gesetzes zum Schutz der Familie vom 12. Februar 1975, wie das Oberlandesgericht meint, nicht mehr fortgilt (für eine Fortgeltung: OLG Celle FamRZ 1990, 1131, 1132 [OLG Celle 17.04.1990 – 10 UF 78/90]; OLG Frankfurt FamRZ 1991, 730, 731; vgl. auch OLG Celle IPrax 1989, 390), wird das Beschwerdegericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht prüfen müssen, ob jene Möglichkeit nach islamischen Rechtsgrundsätzen besteht (für eine solche Möglichkeit: OLG Bremen FamRZ 1992, 343, 344) [OLG Bremen 21.10.1991 – 4 UF 51/91 A].

Sollte jedoch eine solche Möglichkeit nach iranischem Recht ausscheiden, würde ein Verstoß gegen den ordre public nicht zwangsläufig dazu führen, daß für die Regelung der elterlichen Sorge für die Kinder S. und M. deutsches Recht zur Anwendung kommt. Vielmehr wäre zu versuchen, die Regelungslücke, die durch die Nichtanwendung der dem ordre public zuwiderlaufenden. Vorschrift entsteht, nach Möglichkeit nach dem iranischen Recht zu schließen (vgl. Palandt/Heldrich aaO. EGBGB 6 Rdn. 13; Ferid, Internationales Privatrecht 3. Aufl. Rdn. 3 – 34; MünchKomm/Sonnenberger aaO. Art. 6 Rdn. 80 ff). Dies könnte etwa in der Weise geschehen, daß dem Vater die Vermögenssorge belassen bleibt, während der Mutter die Personensorge – u.U. auch das Recht, die Kinder in Unterhaltssachen zu vertreten, – übertragen wird.