Sachverhalt:
Kürzlich erfuhr ich, dass mein leiblicher Vater verstorben ist. Ich wurde in den 60er Jahren als Tochter dieses Vaters (Iraner) und meiner deutschen Mutter vorehelich geboren. Meine Eltern lebten in Deutschland. Sie heirateten 1 Jahr nach meiner Geburt. Es wurde innerhalb der Ehe noch ein Bruder geboren. Später wurde die Ehe – nach deutschem Recht – geschieden.
Da ich vorehelich geboren wurde, wurde immer argumentiert, ich sei (ausschließlich) Deutsche, da eine spätere Legitimation im iranischen Recht nicht vorgesehen sei. Ich besitze aber auch eine iranische Geburtsurkunde.
Meine Eltern führten ihr lebenlang erbittert Streit. Als meine Mutter wiederverheiratet war, nötigte sie uns ab, uns von dem Stiefvater adoptieren zu lassen. Dies geschah als Volladoption nach deutschem Recht.
Als mein Adoptivvater verstarb teilte sie uns mit, mein Bruder und ich würden gegenüber unserem Adoptivvater keine Erbansprüche haben, wir könnten ja dann bei unserem leiblichen Vater im Sterbensfall erben, der auch weiter in Deutschland gelebt hat.
Meine Fragen sind:
a) Ist die Adoption gültig? Es wurde bei dem Verfahren nach deutschem Recht entschieden. War das zulässig?
b) daraus folgt – bin ich meinem leiblichen Vater gegenüber erbberechtigt und nach welchem Recht (er und ich lebten in Deutschland, den Iran habe ich nie besucht).
Amtwort:
Gerne beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:
- Sollte Ihr leiblicher Vater zum Zeitpunkt seines Todes ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit besessen haben, richtet sich die Erbfolge für das in Deutschland gelegene Vermögen nach dem iranischen materiellen Erbrecht, gemäß Art. 75 EuErbVO in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 des Niederlassungsabkommens zwischen Deutschland und Iran. Nach iranischem Erbrecht erben Adoptivkinder von ihren leiblichen Eltern, jedoch nicht von ihren Adoptiveltern. In diesem Fall stellt sich heraus, dass das deutsche Nachlassgericht das iranische materielle Erbrecht anwenden muss und Sie als mögliche Erbin in Betracht kommen könnten, wenn Ihr Vater ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit besessen hat.
- Sollte Ihr leiblicher Vater auch die deutsche Staatsangehörigkeit besessen haben, ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB die deutsche Staatsangehörigkeit vorrangig. In diesem Fall richtet sich die Erbfolge für das in Deutschland gelegene Vermögen nach dem Recht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, also nach deutschem Recht. Nach § 1755 BGB erlöschen mit der Annahme eines Kindes im Rahmen der Volladoption die rechtlichen Bindungen zur Herkunftsfamilie, in Ihrem Fall zu Ihrem leiblichen Vater. Daher stellen wir fest, dass Sie für das in Deutschland belegene Vermögen kein Erbrecht gegenüber Ihrem leiblichen Vater haben, wenn er auch die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hat.
- Sollte sich ein Teil des Nachlasses in Iran befinden, kämen Sie für das dortige Vermögen, unabhängig davon, ob Ihr Vater auch die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hat oder nicht, als Erbin in Betracht. Für die Ausstellung des Erbscheins für den in Iran belegenen Nachlass sind die Nachlassgerichte in Iran zuständig, und das iranische Gericht würde in diesem Fall ausschließlich das iranische materielle Erbrecht anwenden.
- Basierend auf Ihren Angaben sehen wir keinen Grund, weshalb Ihre Adoption aus dem Jahr 1984 nicht gültig sein sollte, und gehen davon aus, dass es sich in Ihrem Fall nicht um eine Auslandsadoption handelt. Nach der aktuellen Rechtslage unterliegt die Adoption im Inland dem deutschen Recht, Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EGBGB. Zum Zeitpunkt der Adoption besaßen Sie die deutsche Staatsangehörigkeit durch Abstammung, und gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB war Ihre zusätzliche iranische Staatsangehörigkeit für das Adoptionsverfahren unerheblich. Auch ohne die Rechtslage aus dem Jahr 1984 im Detail zu prüfen, sehen wir keine Grundlage, weshalb Ihre Adoption nicht wirksam sein sollte. Die Entscheidung über die Adoption ist inzwischen rechtskräftig.
- Zusammenfassend stelle ich fest, dass die Frage, ob Ihr leiblicher Vater auch die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hat und ob Teile des Nachlasses sich in Iran befinden, für die Erbfolge von Bedeutung sind. Um die Erstberatung und die daraus resultierenden Kosten im Rahmen zu halten, möchten wir an dieser Stelle keine weiteren Details vertiefen und empfehlen Ihnen, diese Fragen zu klären. Sollten Sie feststellen, dass Ihr Vater nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hat oder Teile des Nachlasses sich in Iran befinden, können Sie sich gerne für eine weiterführende Prüfung erneut an uns wenden. Die Frage nach der Staatsangehörigkeit können Sie möglicherweise im Rahmen einer erweiterten Melderegisterauskunft beim Einwohnermeldeamt erfragen.