Nachscheidungsunterhalt bei Statutenwechsel

AG Kerpen, 02.03. 2001, 50 F 261/00

Unterhaltsansprüehe zwischen iranischen Ehegatten sind nach den Bestimmungen des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens auch dann nach iranischem Recht zu beurteilen, wenn die Ehe nach deutschem Scheidungsrecht geschieden worden ist. v

Gründe:

Der Beschwerde ist nicht abzuhelfen. Allerdings bestehen die Gründe des angefochtenen Beschlusses v. 24. 11. 2000 nicht mehr fort, nachdem die Kl. nunmehr wieder am Verfahren mitwirkt. Indes verspricht ihre Rechtsverfolgung in der Sache keine Aussicht auf Erfolg, so daß an dem angefochtenen Beschluß aus anderen Gründen festzuhalten ist (vgl. OLG Köln, FamRZ 1986, 487). Unterhaltsansprüche gegen den Bekl. stehen der Kl. schon dem Grunde nach nicht (mehr) zu, so daß auch ein Auskunftsanspruch nicht gegeben ist. Für die sachliche Beurteilung des Unterhaltsbegehrens ist auf das iranische [iran.] Recht abzustellen; ein Rückgriff auf deutsches Recht, mithin auf die Regelungen der §§ 1569 ff. BGB, kommt nicht in Betracht. Beide Parteien besitzen die iran. Staatsangehörigkeit, so daß die Bestimmungen des deutsch-iran. Niederlassungsabkommens (im folgenden: NiederlAbk; zum Wortlaut vgl. RGB1 1930 II 1012 i. V. mit BGB1 1955 II 829; Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 7. Aufl. 1994, Nr. 17, S. 52) in Anwendung zu bringen sind. Daß die Parteien ursprünglich den Schutz der Genfer Flücht-Imgskonvention [GFK] genossen, ist hierbei unerheblich. Zwar bestimmt sich das Personalstatut eines Flüchtlings grundsätzlich nach Aufenthaltsrecht, womit auch die Anwendung des NiederlAbk ausgeschlossen ist (vgl. BGH, FamRZ 1990, 32, 33; Schotten/Wittkowski, FamRZ 1995, 266). Nachdem sich beide Parteien indes Anfang 2000 durch Annahme (oder Erneuerung) eines iran. Passes dem Schutz dieses Staates unterstellt und damit gemäß § 77 I AsylVfG ihre Rechtsstellung als Flüchtlinge und Asylberechtigte verloren haben, kommt ein solcher Rückgriff auf § 3 AsylVfG, Art. 12 GFK indes nicht (mehr) in Betracht. Gemäß Art. 8 III des NiederlAbk bleiben „in bezug auf das Personen-, Familien- und Erbrecht . . . die Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staates . . . den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen“. Diese Regelung umfaßt (entgegen der Auffassung der Kl.) auch die durch Verwandtschaft oder Ehe begründeten Unterhaltsansprüche, was jedenfalls in Ziffer I des Schlußprotokolls zu diesem Abkommen (RGB1 1930 II 1012) klargestellt wird (vgl. in diesem Sinne auch BGH, FamRZ 1986, 344, 345; KG, FamRZ 1988, 296; Schotten /Wittkowski, a. a. O., S. 264). Auch aus Art. 18 IV EGBGB folgt nichts Gegenteiliges. Zwar ist die Ehe der Parteien in Anwendung deutschen Rechts geschieden worden. Indes steht die Sonderanknüpfung des Art. 18 IV EGBGB an das Scheidungsstatut unter dem Vorbehalt des Art. 3 II EGBGB; hiernach sind in innerstaatliches Recht transformierte völkerrechtliche Vereinbarungen wie das NiederlAbk vorrangig (vgl. etwa: Dörner, in: Eschenbruch, Der Unterhaltsprozeß, 2. Aufl., Rz. 6013). Das für die unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Parteien, welche nach dem Scheidungsantrag der schiitisch/muslimischen Glaubensrichtung angehören, hiernach maßgebliche iran./islamische Sachrecht sieht in Art. 1106 ff. iran. ZGB einen „nach ehelichen“, d. h. mit Ausspruch des talaq beginnenden Unterhaltsanspruch nur für die Dauer der Wartefrist von drei Menstruationsperioden oder 100 Tagen vor. Diese Frist aber ist abgelaufen, so daß ein Unterhaltsanspruch nicht mehr besteht. Aus dem Gedanken des ordre public, welcher auch in dem Vorbehalt des Art. 8 III S. 2 NiederlAbk seinen Niederschlag gefunden hat, folgt vorliegend nichts zugunsten der Kl. Denn daß das gefundene konkrete Ergebnis in der konkreten Situation aus Sicht des deutschen Rechtes derart unerträglich ist, daß die Anwendung der betreffenden Sachnorm schlichtweg inakzeptabel erscheint, kann nicht angenommen werden. Richtig ist zwar, daß die Verneinung eines unbefristeten Unterhaltsanspruchs zu gravierenden Härten für die geschiedene Ehefrau fuhren kann. Indes ist zu beachten, daß eine solche Regelung auch dem deutschen Recht (etwa bei vertraglichem Ausschluß oder Verwirkung nachehel. Unterhaltsansprüche) keineswegs fremd ist; ob in besonders gelagerten Härtefällen (etwa der Betreuung minderjähriger Kinder) etwas anderes gelten muß, kann dabei auf sich beruhen, da ein solcher offenkundig nicht gegeben ist (vgl. zum Vorgesagten Henrich, in: Heiß, Unterhaltsrecht, 32.4, Rz. 7, m. w. N.). Hinzu kommt, daß das maßgebliche islamische Recht (hier die Bestimmungen der Art. 1078 ff. iran. ZGB) zum Ausgleich der sich aus einer Beendigung der ehel. Bindungen u. U. ergebenden materiellen Härten das Institut der „Morgengabe“ vorsieht (zu dieser unterhaltsrechtlichen Interpretation der Morgengabe vgl. etwa KG, FamRZ 1980, 470, 471; FamRZ 1988, 296; auch: BGH, FamRZ 1987, 463, 464). In Zusammenschau hiermit aber ergibt sich, daß eine — wenn auch nicht westlichen „Standards“ entsprechende — nachehel. Absicherung der Ehefrau auch nach iran./islamischem Recht durchaus möglich ist.