Nachscheidungsunterhalt und Kindesunterhalt bei Ehescheidung von Iranern

AG FamG Frankfurt am Main, Art. 18 EGBGB, § 1571 BGB

Orclre-public-Verstoß des iranischen Unterhaltsrechts

Die Beschränkung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs auf drei Monate im iranischen Recht verstößt gegen den ordrepublic, so dass deutsches Unterhaltsrecht im Verhältnis geschiedener iranischer Eheleute Anwendung findet.

Zur fehlenden Darlegung der Leistungsfähigkeit

(Kein) Beweisverwertungsverbot für heimlich beschaffte Belege

Urteil des AG Frankfurt a.M. v. 10.4.2003 35 F 8151/02

Aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten über Kindesunterhaltsansprüche der Klägerin zu 1) und nacheheliche Ehegattenunterhaltsansprüche der Klägerin zu 2). Die Klägerin zu 2) und der Beklagte sind geschiedene Ehegatten. Aus der Ehe der Parteien ist die Klägerin zu 1) als minderjähriges gemeinschaftliches Kind hervorgegangen.

Die Parteien wurden mit Urteil vom 28.7.1998 geschieden. Im Rahmen des Scheidungsurteils wurde der Klägerin zu 2) die elterliche Sorge für die am 17.01.1994 geborene Klägerin zu 1) übertragen. Hinsichtlich der Scheidung der Parteien wurde in materiellrechtlicher Hinsicht iranisches Familienrecht angewendet.

Hinsichtlich des Unterhalts der minderjährigen Klägerin zu 1) erging im Wege der einstweiligen Anordnung der Beschluss, wonach dem Beklagten eine monatliche Kindesunterhaltsleistung in Höhe von 256 DM aufgegeben wurde.

Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass der Beklagte aus nichtselbständiger und selbständiger Tätigkeit sowie aus Kapitalvermögen über ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 2.474,65 Euro verfügt. Damit erachtet die Klägerin zu 1) einen Kindesunterhaltsanspruch gemäß der 8. Stufe der Düsseldorfer Tabelle 2. Altersstufe mit 342 Euro Tabellenbetrag für gerechtfertigt. Die Klägerin zu 2) ist der Auffassung, dass sie aufgrund der Versorgung der gemeinsamen minderjährigen Tochter nicht zur Erwerbstätigkeit verpflichtet sei. Sie erachtet die Anwendung iranischen Rechts auf den Unterhalt als einen Verstoß gegen „Ordre public“, weswegen insofern deutsches Unterhaltsrecht anzuwenden sei. Sie macht den Notunterhalt geltend.

Die Klägerinnen beantragen, den Beklagten zu verurteilen

1. an die Klägerin zu 1) zu Händen ihrer Mutter, der Klägerin zu 2) ab April 2002 monatlich zu jedem 1. Unterhalt in Höhe von 211,11 Euro über die durch Beschluss des Amtsgericht -Familiengericht ­ Frankfurt am Main vom 22.12.1995 (Aktenzeichen 35 F 8262/94-EA II) festgelegten 130,89 Euro (256 DM) hinaus zu zahlen, insgesamt also 342 Euro;

an die Klägerin zu 2) ab April 2002 monatlich zu jedem 1. Unterhalt in Höhe von 840 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Klägerin zu

2) schon aus Rechtsgründen ein nachehelicher Ehegattenunterhaltsanspruch nicht zustehe, da gemäß Art. 18 EGBGB für diese Ansprüche der Klägerin iranisches Recht maßgeblich sei, welches einen nachehelichen Ehegattenunterhaltsanspruch zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr vorsehe. überdies wendet der Beklagte ein, dass die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen vorwiegend keine Verwendung finden könnten, da diese mit unlauteren Mitteln (heimliches Öffnen der Briefe, Kopieren und Wiederverschließen) von ihr erlangt seien und insofern ein Beweisverwertungsverbot vorliege. Im übrigen beruft er sich darauf, dass er hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auch nicht leistungsfähig sei. Zutreffend sei, dass er in der von der Klägerin angegebenen und sich aus den Unterlagen ergebenden Größenordnung Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Jahre 2001 erzielt habe. Dies betreffe lediglich das Kalenderjahr 2001. Vorher und nachher habe er keine Einnahmen in vergleichbarer Höhe erzielt. Vielmehr seien ihm auch im April/Mai 2002 die Verträge mit seinen Auftraggebern wegen schlechter Auftragslage gekündigt worden. Zur weiteren Darlegung seiner Einkommenssituation verweist er auch darauf, dass er in den vergangenen Jahren seine im Iran lebenden Eltern finanziell unterstützt habe, ein Darlehen über 8.000 DM bei einem Freund habe aufnehmen müssen und auch mit seinem Hausgeld für die Eigentumswohnung in Rückstand geraten sei.

Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, ab April 2002 an die Klägerin zu 1. monatlich 342 Euro und an die Klägerin zu 2. 803,20 Euro monatlich zu zahlen.

Aus den Gründen:

Der Klägerin zu 1) steht ein Anspruch auf Kindesunterhalt gemäß §§ 1601 ff. BGB gegen den Beklagten zu. Der Klägerin zu 2) steht in der im Tenor ersichtlichen Höhe ein Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt gemäß §§ 1569, 1570 BGB wegen Betreuung der Klägerin zu 1) zu.

Auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 1) findet gemäß Art.18 Abs. 1 EGBGB deutsches Recht Anwendung.

Soweit der Antrag der Klägerin zu 1) inhaltlich auf die Abänderung der einstweiligen Anordnung, die am 22.12.1995 im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens ergangen ist, abzielt, war dieser Antrag als Leistungsantrag umzudeuten.

Eine Abänderung eines Beschlusses, der im Wege der einstweiligen Anordnung ergangen ist, ist nach rechtskräftigem Abschluss des Scheidungsverfahrens nicht mehr möglich. Insofern handelt es sich um eine nur vorläufige Regelung, auf die die Vorschrift des § 323 ZPO nicht anzuwenden ist. § 323 ZPO enthält bei den abzuändernden Schuldtiteln auch ausdrücklich nicht die Vorschrift des § 620 ZPO. Inhaltlich zielt der Antrag jedoch darauf ab, den Beklagten zur Zahlung von 342 Euro monatlichen Kindesunterhalt zu verurteilen. Damit ist eine Umdeutung in einen Leistungsantrag möglich (vgl. auch BGH NJW 1983, s. 2201).

Durch die Verurteilung des Beklagten zu Kindesunterhalt im hiesigen Verfahren tritt die einstweilige Anordnung vom 22.12.1995 gemäß § 620 f. ZPO automatisch außer kraft. Die minderjährige Klägerin ist bedürftig i. S. des § 1602 BGB, da sie nicht über eigenes Einkommen oder Vermögen verfügt. Der Beklagte ist leistungsfähig. Aus den vorgelegten Verdienstabrechnungen des Beklagten bei der P. ergibt sich für das Jahr 2001 ein Jahresbruttoeinkommen von 45.271,45 DM. Unter Berücksichtigung der Lohnsteuer, des Solidaritätszuschlags, der Krankenversicherung, der Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Pflegeversicherung sowie dem Beitrag zur Gewerkschaft Ver.di ergibt sich ein Nettoeinkommen von 33.482,65 DM. Dies entspricht 2.790,22 DM oder umgerechnet 1.470 Euro durchschnittlich monatlich. Aus der Jahresabrechnung des Jahres Dezember 2002 bei der P. AG ergibt sich ein Jahresbrutto von 24.613,47 Euro. Unter Berücksichtigung eines Lohnsteueranteils von 2.925 Euro, einem Solidaritätszuschlag von 116,65 Euro, einer Krankenviersicherung von 1.517,39 Euro, einem Rentenversicherungsanteil von 2.100,16 Euro, Arbeitslosenversicherung von 714,71 Euro, Pflegeversicherung in Höhe von 186,94 Euro und Beitrag zur Gewerkschaft in Höhe von 175,48 Euro ergibt sich ein Nettojahreseinkommen von 16.877,14 Euro. Dies entspricht einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 1.406,43 Euro. Darüber hinaus sind hinsichtlich des Beklagten jedoch noch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit zu berücksichtigen. Anhand der von der Klägerin zu 2) vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass der Beklagte im Jahre 2001 über Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 45.000 DM durchschnittlich verfügt hat. Dies ergibt sich aus der Bescheinigung des Steuerberaters vom 26.11.2001 und wird unterstützt durch den Baufinanzierungsbogen vom 23.11.2001, in dem der Beklagte selbst Einkünfte in Höhe von 3.500 DM monatlich als selbständige Ein­ nahmen bezeichnet hat. Überdies werden diese Angaben der Klägerinnen durch diverse Rechnungen belegt, die aus der Zeit zwischen 11/2000 und 12/2001 datieren, sowie aus Kontoauszügen, aus denen sich entsprechende Buchungen ergeben. Bezogen auf 6 Monate ergab sich danach ein monatlicher Umsatz von über 4.800 DM. Diese Angaben der Klägerinnen wurden von dem Beklagten insoweit unstreitig gestellt, als er darlegt, dass die vorgelegten Belege inhaltlich richtig seien und der Einkommenslage des Beklagten bis 2001 zugrunde gelegt werden können. Nachdem der Beklagte diesen Vortrag unstreitig gestellt hat, kommt es auf den Streit der Parteien, ob sich die Klägerin zu 2) diese Unterlagen verbotswidrig beschafft hat und damit eine Beweisverwertung nicht in Betracht käme, nicht mehr an. Dieses Einkommen aus selbständiger Tätigkeit ist neben den Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit für die Unterhaltsberechnung zugrunde zu legen. Dem Vortrag des Beklagten, dass es sich bei dem Jahre 2001 um das einzige Jahr gehandelt habe, in dem er Umsätze in dieser Größenordnung erzielt habe unter Hinweis auf die Bestätigungen der Firma … konnte nicht gefolgt werden. Insofern ist zu berücksichtigen, dass das Gericht dem Beklagten mit Auflagen­ und Hinweisbeschluss vom 22.8.2002 und mit weiterem Beschluss vom 17.1.2003 aufgegeben hat, Unterlagen vorzulegen, aus denen sich ergeben könnte, ob und ggfs. zu welchem Zeitpunkt eine weitere Tätigkeit insgesamt eingestellt wurde. Trotz dieser Fristsetzung hat der Beklagte die wesentlichen Unterlagen nicht vorgelegt. Es mag zwar sein, dass er vorübergehend von den Firmen keine weiteren Aufträge erhalten hat. Dies schließt jedoch nicht aus, dass zu einem späteren Zeitpunkt Auftragserteilungen an ihn wieder erfolgten bzw. er noch mit anderen Tätigkeiten Einkünfte erzielte. Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte bei der P. AG lediglich in Teilzeit mit 25 Stunden wöchentlich beschäftigt ist und aufgrund seiner bestehenden Belastungen an sich auf weitere Einkünfte angewiesen wäre. Insofern ergibt sich aus den eigenen Angaben des Beklagten, dass er eine Lebensversicherung für sich und die Tochter der Parteien unterhält, dass er eine Eigentumswohnung mit einer monatlichen Belastung von über 660 Euro finanziert, zusätzlich seine Eltern im Iran in der Vergangenheit unterstützt haben will, Hausgeld für die Wohnung in Höhe von über 200 Euro monatlich zahlt sowie auch einen PKW unterhält. All dies kann der Beklagte nicht von einem Ein­ kommen in Höhe von rund 1.400 Euro monatlich bestreiten. Der Beklagte hat auch trotz Auflage des Gerichts weder eine Gewerbeabmeldung noch eine Bescheinigung seines Steuerberaters, dass er in 2002 über keinerlei Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit mehr verfügt, vorgelegt. Die von ihm vorgelegten Steuerbescheide geben hierüber auch keinen weiteren Aufschluss. So ergibt sich aus dem Steuerbescheid für das Jahr 2000 über die Einkommenssteuer, dass er Einnahmen aus dem Gewerbetrieb in Höhe von 1.378 DM hat. Die nach seinem Vortrag unstreitig zugrunde zu legenden Rechnungen aus selbständiger Tätigkeit weisen bereits für November 2000 einen Betrag in Höhe von 2.192,40 DM aus. Damit ist völlig unklar, welche Einnahmen der Beklagte tatsächlich im Kalenderjahr 2000 aus selbständiger Tätigkeit hatte und wie sich diese unterhaltsrechtlich einordnen lassen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die steuerliche Behandlung von Einkünften nicht mit der unterhaltsrechtlichen Behandlung identisch ist, so dass der Steuerbescheid alleine nicht zugrunde gelegt werden kann. Aus diesen Gründen war dem Beklagten auch aufgegeben worden, seine Steuererklärungen nebst sämtlicher Anlagen vorzulegen. Auch dieser Auflage ist der Beklagte nicht gefolgt. Hinsichtlich des Kalenderjahres 2001 hat der Beklagte in Kenntnis der Beschlüsse des Gerichts die Steuererklärung gefertigt und ausweislich der vorgelegten Bescheinigung an das Finanzamt weitergeleitet, ohne die Auflage dem Gericht gegenüber zu erfüllen. Soweit sein Bevollmächtigter diesbezüglich darauf hinweist, dass der Beklagte unglücklicherweise keine Kopien gefertigt hatte, die er jetzt entgegen der Ankündigung vorlegen könnte, muss sich der Beklagte wegen Nichterfüllung der Auflagen und Unklarheit über seine Einkommensverhältnisse ebenso behandeln lassen, als seien die Einnahmen fortlaufend gegeben gewesen.

Es ergibt sich damit hinsichtlich des Einkommens des Beklagten …, dass sein unterhaltsrechtlich relevantes durchschnittliches Einkommen bei 2.350 Euro monatlich liegt. Dies führt zu einer Einordnung in die Stufe 7 der Düsseldorfer Tabelle. Unter Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung nur gegenüber den Klägerinnen ist eine Höherstufung auf die Stufe 8 der Düsseldorfer Tabelle gerechtfertigt. Nach dem Alter der Klägerin zu 1) ist die 2. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle maßgeblich. Dies führt zu einem Tabellenbetrag von 342 Euro. Da die Klägerin zu 2) für die Klägerin zu 1) Kindergeld nicht erhält, kann dieses auch nicht angerechnet werden.

Hinsichtlich der Klägerin zu 2) ergibt sich ein Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt wegen Betreuung der Klägerin zu 1).

Da die Ehe der Parteien nach iranischem Recht geschieden worden ist, ist gemäß Art. 18 Abs. 4 EGBGB zunächst auch das iranische Recht für den nachehelichen Ehegattenunterhalt maßgeblich. Es kommt alleine auf das Scheidungsstatut aus der inzwischen rechtskräftigen Scheidung an. Bei dem iranischen Recht steht der Klägerin zu 2) für die ersten drei Monate nach Rechtskraft der a, die als Wartezeit für die Wiedereingehung einer Ehe gelten, Unterhalt nach den sozialen Gewohnheiten der Frau zu. Dieser Zeitraum ist vorliegend bereits überschritten, da die Parteien im Jahre 1998 rechtskräftig geschieden wurden. Für die sich an diesen Zeitraum anschließende Zeit ist dem iranischen Recht ein Unterhaltsanspruch nicht zu entnehmen. Insbesondere sieht das Scheidungsgesetz vom 26.11.1992 (IPrax 1994, S. 326) einen solchen nicht vor.

Dieses Ergebnis ist jedoch mit der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland unvereinbar, weil die Klägerin zu 2) wegen der ihr obliegenden Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ohne erhebliche Vernachlässigung ihrer Elternpflichten nicht in der Lage wäre, ihren eigenen ausreichenden Unterhalt sicherzustellen. Gemäß Art. 6 EGBGB ist es daher geboten, dem betreuenden und daher bedürftigen Elternteil einen Anspruch auf Sicherstellung seines Lebensunterhalts gegen den anderen Elternteil einzuräumen. Die am 17.1.1994 geborene Klägerin zu 1) war zum Zeitpunkt der Klageeinreichung im April 2002 acht Jahre alt. Nach der Überzeugung des Gerichts ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falls der Kindesmutter ein Betreuungsunterhaltsanspruch bis zum 10. Lebensalter (Abschluß der Grundschulzeit des Kindes) zuzubilligen. Eine Erwerbsobliegenheit der Klägerin zu 2) besteht damit nicht. Die Klägerin zu 2) erzielt auch keine Einnahmen, weswegen sie bedürftig im Sinne des Gesetzes ist. Die Klägerin zu 2) hat allerdings im Hinblick darauf, dass die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten nicht auf Dauer bestehen wird, bereits jetzt die Voraussetzungen zu schaffen, dass sie mit zunehmendem Alter des Kindes einer Erwerbstätigkeit tatsächlich auch im Hinblick auf ihren ausländerrechtlichen Status aufnehmen kann. Insofern wird sie rechtzeitig dafür Sorge tragen müssen, zumindest eine Teilzeitbeschäftigung aufzunehmen, um über eigenes Einkommen zu verfügen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist der Unterhaltsanspruch jedoch aufgrund der Betreuung des Kindes noch anzunehmen.